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Wenn Glücksexperten zu Trauer- und Trostexperten werden

„Was machst du denn da mit den Hunden überhaupt?“, werde ich öfter gefragt, wenn Leute hören, dass ich Menschen in schwierigen Lebenslagen oder auch am Lebensende mit meinen Hunden begleite. „Das muss doch sehr schwer sein, soviel Leid zu sehen!“ Ja, vielleicht ist es das tatsächlich manchmal. Aber erst mal zu den vielen, schönen, bereichernden, beeindruckenden und tollen Momenten, die ich mit meinen Hunden erleben durfte und erlebe.

Ich arbeite hauptberuflich u.a. mit Therapie- und Besuchshunden. Ich unterstütze Therapeuten, Pflegekräfte, Ärzte und auch Pädagogen bei ihrer Arbeit. Das ist so vielfältig, wie die Menschen vielfältig sind. Meine Hunde sind speziell für diese Arbeit ausgewählt und geschult. Jeder von ihnen hat seine ganz eigene Art, mit Menschen um- und auf Menschen zuzugehen. Da ich das Glück habe, gleich mehrere eigene Hunde für diese Arbeit einsetzen zu können, kann ich für jeden Einsatz den passenden Hund auswählen.

Alle meine Hunde sind Herzenshunde und leben eng verbunden mit uns in der Familie. Auch bei ihnen kommt es mal vor, dass sie mir signalisieren, dass sie keine Lust haben, es zu anstrengend ist oder sie einfach gerne morgens noch ein bisschen weiterschlafen wollen. Dies zu registrieren und vor allem dann auch zu akzeptieren gehört für mich zu einem fairen Umgang mit dem Lebewesen Hund dazu. Klar ist, dass nur ein Hund, dem es gut geht und der sich auch gut fühlt, effektiv für eine solche Arbeit eingesetzt werden soll. Geht´s dem Hund nicht gut, bringt er auch keinen „Nutzen“ in der Therapie. Daher ist es unabdingbar, dass man seine Hunde wirklich gut kennt und zu jeder Zeit sagen kann, wie sie sich fühlen. Falscher Ehrgeiz oder eine falsche Einschätzung sind hier absolut fehl am Platz und wirken sich nur negativ auf die Mensch-Hund-Beziehung aus. Im schlimmsten Fall kann es dazu führen, dass der Hund die Arbeit in Zukunft ganz verweigert.

Auch ich frage mich regelmäßig, wie es mir geht, ob ich bereit bin für genau diesen Einsatz. Wobei das gar nicht nötig wäre, denn ich sehe an der Reaktion meiner Hunde, wie es mir geht. Sie kennen mich eben auch sehr genau. Fluch und Segen zugleich. ;o)

„Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.“ Dieses Zitat von Hildegard von Bingen beschreibt genau das, was die Glücksexperten zum Ziel haben: Zeit und Zuwendung schenken und ein offenes Ohr, gepaart bei Bedarf mit Übungen bzw. Interaktionen, welche genau auf den jeweiligen Menschen zugeschnitten sind. Wenn das alles passt, entwickelt sich oft innerhalb von wenigen Augenblicken ein Glücksgefühl bei dem betreffenden Menschen, von dem er noch lange nach unserem Treffen zehrt. Oft sind es die ganz kleinen, unspektakulären Interaktionen, die man nur bemerkt, wenn man genau hinsieht und hinspürt, die das Treffen so erfolgreich werden lassen. Oft sind es Momente der leisen Töne oder gar der Stille, die den größten Erfolg bringen. Was bei wem am besten ankommt, kann man nie vorher mit Sicherheit sagen. Es erfordert ein großes Interesse am Gegenüber, ein Sein im Hier und Jetzt sowie offensichtlich auch die Fähigkeit, Situationen aushalten zu können, die für andere vielleicht undenkbar sind.

Aber die eigene Gänsehaut, wenn der Hund es mal wieder geschafft hat, jemandem ein Lächeln zu entlocken, der schon lange Zeit nicht mehr auf seine Umwelt reagiert hat, ist großartig! Und es führt zu Demut. Denn jammern wir nicht ganz oft über eigentlich ganz unwichtige Dinge? Ich denke ab und an (je nach Einsatz auch mal öfter) daran, wie gut es mir geht. Und ich schätze das! Natürlich gibt es immer etwas, das besser sein könnte. Aber unterm Strich geht es mir wirklich gut. Wenn man sich das immer mal wieder vor Augen hält, werden kleine Alltagssorgen ganz schnell unwichtig.

Das machen also die Glücksexperten: Sie schenken ein gutes Gefühl – Glück.

Aber was, wenn das Gegenüber sich am Lebensende befindet? Wenn der Mensch schwer krank ist? Wenn der Körper gezeichnet ist von Krankheit, Alter oder einem Unfall? Wenn es absehbar ist, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Tod kommt?

Dann können unsere Glücksexperten zu Trauer- und Trostexperten werden. Eins vorweg: Nicht alle Hunde sind für den Umgang mit sterbenden Menschen geeignet oder können mit der großen Trauer und Verzweiflung von Angehörigen umgehen! Auch hier muss man genau schauen, wie es dem Hund dabei geht.

Es gibt Angehörige, die können und wollen bis zum Ende bei ihren Lieben sein. Sie lassen sich auch nicht von piepsenden und blinkenden Maschinen, Kabelgewirr und teilweiser Hektik rund ums Krankenbett abschrecken.

Und es gibt Angehörige, die können den Anblick nicht ertragen und bleiben lieber auf dem Flur stehen.

Ich muss akzeptieren, dass Menschen unterschiedlich mit belastenden Situationen, zu denen ja auch der Tod gehört, umgehen. Vielleicht würde ich selbst anders mit einer solchen Situation umgehen, was mich aber in keinem Fall dazu berechtigt, andere für ihr Tun oder Nicht-Tun zu verurteilen. Auch hier heißt es AUSHALTEN.

Auch für die Angehörigen sind wir da. Auch ihnen schenken wir selbstverständlich ein offenes Ohr und Zeit. Und erfahrungsgemäß sind viele dankbar, mal kurz ein paar „normale“ Worte wechseln zu können und nicht immer nur über die Krankheit sprechen zu müssen. Auch ihnen tut es gut, den Hund zu beobachten oder zu streicheln. Oder auch mal leise in sein Fell zu weinen. Die Hunde spenden Trost und helfen in der Trauer. Wie schon gesagt, nicht jeder Hund ist dafür geeignet!

So werden unsere Glücksexperten auch zu Trauer- und Trostexperten!

Fazit:

Hunde sind großartige Wesen, die uns Menschen in so vielen unterschiedlichen Situationen helfen können! Meine Hunde sind für mich unersetzlich bei meiner Arbeit mit Menschen. Jeder von ihnen ist einzigartig und wertvoll. Und jedem einzelnen lasse ich selbstverständlich genau die gleiche Zuwendung zukommen, wie sie die Menschen, die wir besuchen, von uns bekommen. Dabei ist es unabhängig, ob sie aktiv mitarbeiten oder in Rente sind.

Mobilitätsassistenzhund am Rollstuhl

Von Sabine Müller

Seit meiner Kindheit begleiten mich Hunde und seit vielen Jahren leben immer mehrere gleichzeitig an meiner Seite. Ich unterstütze Sie dabei, Freude am Hund zu entwickeln, diese Freude zu behalten oder wiederzuentdecken. Dafür setze ich mich ein und freue mich auf Sie!

16. Juli 2023

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