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Ich geb Dir einen Engel mit …

Jetzt sitze ich hier und versuche, ein paar Gedanken zu ordnen, während mein mittlerweile 35 kg schweres Nesthäkchen bei mir liegt und selig schnarcht. Hoffentlich lenkt er mich nicht zu sehr ab. ;o)


Mein Nesthäkchen Hokuspokus, 9 1/2 Monate alt

Die Zeit zwischen Baum und Borke, zwischen Alt und Neu, zwischen Verabschiedung und Neubeginn. So oder so ähnlich fühlen wir uns oftmals in den Tagen „zwischen den Jahren“. So auch jetzt wieder. Heute ist der 30. Dezember, also kurz vor dem Jahresende. Mir geht es in dieser Zeit oft so, dass ich ein bisschen ruhiger werde, dass ich über das zurückliegende Jahr nachdenke, dass schöne und nicht so schöne Erinnerungen nochmal wach werden. Die letzen zwei, drei Jahre habe ich mir in diesen Tagen „social media frei“ genommen. Das hat sich zuerst ziemlich komisch angefühlt, wurde aber mit jedem Tag besser, freier, entspannter. Ich konnte loslassen, fühlte mich nicht mehr wichtig, musste nicht alle paar Momente aufs Handy starren, ob da irgendwelche Anrufe oder Nachrichten angezeigt wurden. Ich konnte nach all meinen Terminen und Verpflichtungen, die ich über das Jahr hatte, endlich mal einfach nur so vor mich hin dümpeln. Das war ungewohnt, aber schön. 

Dieses Jahr habe ich es nicht geschafft, mich von Handy und Computer abzunabeln. Es war weniger als sonst, aber ganz abgestellt habe ich es nicht. Warum? Weil sich doch noch ein paar Kunden mit Fragen oder Termin- bzw. Beratungswünschen gemeldet hatten? Weil ich kribbelig wurde, wenn ich mal ein paar Stunden nicht das Handy gecheckt hatte? Weil ich mich „zu-ständig“ fühlte? Zu-ständig für was? Sicherlich waren das alles in den Augen der Anderen wichtige Anliegen, aber sie hätten auch problemlos ein paar Tage Aufschub verkraftet. Menschen, die irgendwo angestellt sind und zwischen den Jahren Urlaub haben, sind doch auch für ihren Arbeitgeber in den meisten Fällen nicht erreichbar. Und das ist auch gut so. Aber wenn man selbstständig ist, ist das oft was anderes. Da fällt es oft schwer, sich nicht 24/7 zu-ständig zu fühlen.  

Ich geb Dir einen Engel mit …

Mein Jahr hatte, wie bei den meisten anderen Menschen auch, Höhen und Tiefen. Ich hatte so viele schöne Momente mit lieben Menschen, mit meinen Hunden und in der Natur. Daran erinnere ich mich sehr gerne zurück. Diese Erinnerungen geben mir Kraft. 

Ich musste mich aber auch von einem lieben Freund verabschieden, der viel zu früh gestorben ist. Ich hoffe, ich konnte seiner Familie ein wenig Halt geben. Ein anderer naher Mensch ist ebenfalls schwer krank und man weiß nicht, wie es weitergeht. Ich habe seine Frau als „Favorit“ in meinem Handy markiert, so dass sie mich jederzeit erreichen kann. 

Und ich hatte auch ein paar Tage, in denen ich nicht wusste, wie es weitergeht. In denen ich Angst hatte. Angst, dass ich „da“ nicht gut rauskomme. Es fing damit an, dass ich plötzlich starke Bauchschmerzen bekam. Am zweiten Tag war mir klar, dass das keine normale Magen-Darm-Verstimmung war. Mein Hausarzt war auch ratlos, schaute mich mit ernstem Blick an und riet mir eindringlich, mich ins Krankenhaus zur Abklärung zu begeben – SOFORT. Wenn es einem eh schon schlecht geht, dann rutscht einem bei so einer Empfehlung noch mehr das Herz in die Hose. Dann kam das volle Programm: Notaufnahme (in Zeiten von Corona noch schlimmer als sonst schon), ein nächtlicher Untersuchungsmarathon, zwei Verdachtsdiagnosen, welche jede für sich eine Not-OP rechtfertigen würden, die Aufklärung für die OP und noch weitere Untersuchungen, weil die zuständige Oberärztin vor meiner noch eine andere OP durchführen musste und in der Zwischenzeit eben noch ein anderes MRT angefertigt werden sollte (quasi als Lückenfüller und zur sinnvollen Zeitüberbrückung bis zur OP, um nochmal was abzuklären). Zu diesem Zeitpunkt lag ich bereits seit ein paar Stunden auf einer Pritsche im Flur der Notaufnahme. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf. Was, wenn ich da nicht gut rauskomme? Was, wenn ich da gar nicht mehr rauskomme? Ich dachte an meine Familie, meinen lieben Mann, meine Hunde … 

Ich bin jetzt nicht das, was man einen gläubigen Christen nennt. Aber ich glaube, dass es „etwas“ nach dem Tod gibt und dass ich all meine Lieben dann wiedersehen werde, in welcher Form auch immer. In sehr schweren und lebensbedrohlichen Situationen nehmen die Gedanken an das „Danach“ doch einen großen Raum ein, wie ich mal wieder feststellen musste. 


Meine Begleiter über Tage …

Nach dem letzten MRT und einer gefühlten Ewigkeit, in der die Ergebnisse von den Spezialisten besprochen wurden, kam die Oberärztin wieder zu mir und teilte mir mit, dass eine OP erstmal doch nicht nötig wäre und dass sie es jetzt mit Medikamenten und Schmerzmitteln versuchen würden in den Griff zu bekommen. Dann musste sie schon weiter zum nächsten Patienten. Ich bekam ein Bett auf Station und jede Menge Beutel angehängt. Sobald der eine leer war, kam schon der nächste dran. Die Schmerzmittel halfen und es ging mir nach ein paar Tagen schon wieder viel besser. Deshalb wollte ich nach Hause. Der zuständige Stationsarzt wollte das nicht. Meine Infusionsnadel war verstopft und es kam eine ganz liebe junge Frau aus dem OP und legte mir eine neue. Wir unterhielten uns. Sie fragte, ob ich nach Hause möchte. Ja, das wäre sehr schön. Es geht mir schon wieder fast gut und zu Hause kann ich mich bestimmt besser erholen als hier auf Station, wo kaum Ruhe herrscht und man fast keinen Schlaf bekommt. Sie sagte, dass sie sich meine Akte anschauen und dann mit dem Arzt reden würde. Nach einem halben Tag kam sie zurück und sagte, dass ich nach Hause gehen dürfte, sie hätte mit dem Arzt gesprochen! Meine Medikamente könnte ich auch als Tabletten weiter nehmen. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie sich um mein Anliegen tatsächlich nochmal kümmern würde, denn im Krankenhaus herrscht seit Corona noch mehr Ausnahmezustand als sonst und jeder ist am Rennen. Am selben Abend war ich wieder zu Hause. Es dauerte noch ein paar Wochen, bis ich wieder ganz fit war. Heute bin ich es zum Glück. 

Ich geb Dir einen Engel mit …

Nach dieser Erfahrung wurde ich noch ein kleines bisschen mehr demütig. Demütig, dass ich zu den Privilegierten gehören darf, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Demütig, dass ich ein so schönes Zuhause habe, in dem ich geliebt werde. Demütig, dass sich fremde Menschen so gut um mich gekümmert haben, dass ich schnellstmöglich wieder nach Hause und heute wieder ein beschwerdefreies Leben führen darf. Danke, Universum!

Danke, dass ich so tolle Kunden habe, die sich immer wieder nach mir erkundigt haben und mir viele gute Gedanken geschickt haben. Danke, dass mich kein einziger Kunde verlassen hat, weil ich in dieser Zeit ja doch viele Termine absagen musste. Danke, Universum, dass es danach genau so gut weitergeht wie davor!

Ich geb Dir einen Engel mit …

Im Herbst habe ich mir einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Ich engagiere mich seit vielen Jahren mit meinen Hunden in Pflegeheimen und Kinderheimen in der tiergestützten Therapie und habe in Folge dessen schon einige Bewohner bis kurz vor ihrem Tod begleitet. Es ist auch schon vorgekommen, dass mein Hund, obwohl er die Personen schon lange kannte, bei einem Termin einfach nicht mehr in die entsprechenden Zimmer gehen wollte. Kurz darauf sind die Personen verstorben. Hunde können so viel mehr „sehen“, als wir Menschen. 

Ich habe schon öfter gesagt bekommen, ich sei sehr empathisch. Echt? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich habe keine Scheu mit Menschen oder deren Angehörigen umzugehen, die schwer erkrankt sind, sich in einer großen Ausnahmesituation befinden oder kurz vor dem Tod stehen. Als junger Mensch hätte ich das nicht gekonnt. Jetzt schon. Und viele eigene, ganz persönliche Erfahrungen helfen mir dabei. 

Wie froh war ich, als sich in der Notaufnahme ein Pfleger kurz zu mir gesetzt hat und mir Mut zugesprochen hat! Wie gut tat es, als die Oberärztin meinen Arm drückte, als ich vor Erleichterung über die abgesagte OP so weinen musste! Und wie dankbar bin ich heute noch der jungen OP-Assistentin, die sich dafür eingesetzt hat, dass ich nach Hause durfte! Und was habe ich für einen großartigen Mann, der mich IMMER unterstützt, egal was gerade ist! Das sind nur die Erfahrungen der letzten Monate. Aber ich musste in den vergangenen Jahren auch andere, unschöne Erfahrungen machen – bei mir selbst und im Familien- und Freundeskreis. Ich wünsche mir, dass keiner alleingelassen wird in einer schweren Situation, wenn er das nicht möchte. Ich wünsche mir, dass alle am Lebensende eine Begleitung haben, wenn sie das möchten. 

Und darum habe ich mir dieses Jahr meinen Wunsch erfüllt und die Ausbildung zur Palliativ- und Hospizbegleiterin gemacht. Die Ausbildung war sehr intensiv, ging sehr tief, hat alte Wunden aufgerissen, aber gleichzeitig den Umgang damit leichter gemacht. Wir haben aber auch so viel gelacht und hatten jede Menge Spaß und ich habe so tolle Menschen kennenlernen dürfen! Danke, Universum, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein durfte!

Ich geb Dir einen Engel mit …

Ich habe ein paar richtig große Herzensangelegenheiten. Und manchmal ist es richtig wichtig, dass man auch mal was Gutes zurück gibt, wenn einem was Gutes widerfahren ist. Mein „Ding“ sind Hunde und Menschen. Daher werde ich auch im kommenden Jahr dafür sorgen, dass unsere Gnadenplätzchen für Hunde belegt sind. Und ich bin für meine Familie und Freunde da, wenn ihr mich braucht! 

Ich geb Euch allen einen Engel mit, der auf Euch im neuen Jahr aufpasst … 

Sabine Müller, Hundewelt SAM, 30.12.2021


Danke, Gaby und Margarete, für eine wundervolle Ausbildung!

Mobilitätsassistenzhund am Rollstuhl

Von Sabine Müller

Seit meiner Kindheit begleiten mich Hunde und seit vielen Jahren leben immer mehrere gleichzeitig an meiner Seite. Ich unterstütze Sie dabei, Freude am Hund zu entwickeln, diese Freude zu behalten oder wiederzuentdecken. Dafür setze ich mich ein und freue mich auf Sie!

30. Dezember 2021

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