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Die Glücksexperten haben einen neuen Azubi!

Am 06.11.2020 kam die kleine Lilly, jetzt Litchi, zu uns – zunächst mal „notfallmäßig“ auf Pflegestelle. Sie kam mit 4 Monaten aus einem Refugio in Sizilien nach Deutschland zu ihrer Familie. Dort war sie 2 Monate und musste leider ihr erstes richtiges Zuhause wieder verlassen, weil es in der Familie Allergien gab. Als sie dann zu uns kam, war sie 6 Monate alt. Ihr Start bei uns war alles andere als leicht. Als ihre Menschen sie abgaben und sich dann verabschiedet hatten, war Litchi völlig neben der Spur. Sie ließ sich nicht anfassen und versuchte mehrmals, uns zu beißen. Ihre Welt war zusammengebrochen. Ich war entsetzt, wie verstört ein so junger Hund schon sein konnte, gerade weil ich mir sicher war, dass Litchi es in ihrem ersten Zuhause richtig gut hatte. 

Aber es half ja nichts, wir mussten alle da irgendwie durch. Es war klar, dass Litchi mit uns nach Hause ging und dort nicht nur mit uns sondern auch mit den anderen Hunden zurecht kommen musste. Schnell war auch klar, dass wir nicht darauf warten konnten, bis sie von sich aus unsere Nähe suchte – das hätte vermutlich Wochen und Monate gedauert und sie noch viel mehr unter Stress gesetzt. Im schlechtesten Fall wäre es ihr nie gelungen, wieder Vertrauen zu Menschen aufzubauen. Also entschloss ich mich, ihr keine Wahl zu lassen. Sie bekam einen Maulkorb an und wir hielten sie so lange im Arm, bis sie fast vor Erschöpfung einschlief. Wir streichelten sie, obwohl sie versuchte, uns zu beißen. Wir beachteten ihr Gehabe nicht und dachten selbst an etwas Schönes. Das alles klingt einfach, ist es aber ganz sicher nicht. Wenn man einen zappelnden, kreischenden, knurrenden, fletschenden, sich windenden Hund im Arm hat, denkt man schon mal kurz, warum man sich das antut. Die Antwort ist: Weil es in Litchis Fall genau das richtige Handeln war! Man braucht Erfahrung und Hundekenntnis und man muss auch wissen, was man sich selbst zumuten kann, wenn man das macht. Dieses „Halten“ war in diesem Fall angemessen, bei einem anderen Hund wäre es womöglich absolut schädlich gewesen. Man sollte so etwas auf gar keinen Fall „einfach nur mal so“ ausprobieren, denn der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Im Zweifel bei Problemen immer einen Fachmann fragen!

Wir konnten das Halten durchziehen und danach war Litchi bei uns wie ausgewechselt. Sie hat seitdem kein einziges Mal mehr versucht, uns zu beißen, sie lässt sich überall anfassen und ist unfassbar verschmust. Bei fremden Menschen und Hunden wurde es erst im Laufe der Zeit besser. Sie zeigt zwischendurch immer mal noch Unsicherheiten, aber im Vergleich zu von vor 11 Wochen sind das jetzt Peanuts. 

Und weil Litchi eben genau bei uns wohnt, war schnell klar, dass sie auch bleiben darf. : O)

Heute auf den Tag ist sie genau 9 Monate alt. Und heute war auch ihr großer Tag! Ich nahm sie das erste Mal mit ins Pflegeheim um zu sehen, wie sie sich macht. Sie ist zu Hause so liebevoll mit uns, das wäre eine super Eigenschaft für die Arbeit mit alten Menschen. Ihr Kumpel Leo, ein „alter Hase“ was die Therapiehundarbeit betrifft, war zur Beruhigung mit dabei. Sicherheitshalber hatte ich einen Mantel für sie mitgenommen für den Fall, dass ich sie wieder hätte ins Auto bringen müssen, weil es gar nicht klappt. Ich war wirklich gespannt, wie sie sich verhält und wie sie mit all den neuen Eindrücken umgeht!

Die elektrische Glaseingangstür fand sie komisch, ging aber zügig mit ins Haus. Dort trafen wir gleich auf die erste Bewohnerin im Rollstuhl, die sich über die Hunde freute und sie gleich zu sich lockte. Beide Hunde liefen schwanzwedelnd auf sie zu und ließen sich streicheln. Da war mir klar, dass Litchi heute erfolgreich sein würde. Der Aufzug war dann nochmal etwas gruselig. Kannte sie auch nicht. Dank Corona sind unsere Übungsmöglichkeiten zur Alltagstauglichkeit ja seit fast einem Jahr sehr eingeschränkt. 

Auf dem Wohnbereich angekommen, traf uns die volle Wucht an Eindrücken: Das Pflegepersonal wuselte hin und her, die Putzkolonne war mit der großen elektrischen Reinigungsmaschine unterwegs, aus dem Zimmern wurde gerufen, im Speiseraum war reges Treiben, auf den Fluren bewegten sich Bewohner in Rollstühlen und mit Gehhilfen, fremde Geräusche und Gerüche … Und Litchi und Leo mittendrin! Und ich mit großen Augen ebenfalls mittendrin. War das wirklich unsere Litchi? Der verstörte, ängstliche, aggressive Hund, den wir vor 11 Wochen zu uns genommen hatten? Wow. Manchmal bleibt auch mir fast die Spucke weg. Litchi ging freiwillig zu den Bewohnern hin, ließ sich streicheln, nahm Leckerlis, registrierte all das Geschehen um sie herum und war – OK. OK mit sich, OK mit den fremden Menschen, OK mit der Umgebung, OK mit mir. Die Kleine hat Leo heute die Show gestohlen! Ich merkte ihr an, dass sie natürlich zwischendurch etwas verwundert und unruhig war, aber kein Gedanke daran, dass ich sie ins Auto zurück bringen müsste, weil sie so gestresst ist! 

Meine Kollegin vom Sozialen Dienst, die mir die zu besuchenden Bewohner vorschlägt und regelmäßig bei der Hundetherapie anwesend ist, war ebenfalls – Zitat – „schockverliebt“ in Litchi! Und was Tiere bei Menschen bewirken können, das haben wir auch heute wieder erleben dürfen: Ein Bewohner, der seit Wochen keine Regungen mehr zeigte und nicht mehr auf Ansprache reagierte, hat auf einmal die Augen geöffnet und die Hand bewegt, als Litchi zu ihm aufs Bett kam! Diese Gänsehautmomente sind nur schwer zu beschreiben …

Ich habe mit vielem gerechnet, aber dass es SO gut läuft, hätte ich nicht gedacht! Litchi hat heute ihren ersten Eignungstest als Therapiehund mit Bravour bestanden! Ich bin meeeegaaaaa stolz auf sie!! Jetzt wird auch sie Azubi bei den Hundewelt SAM-Glücksexperten! Wer hätte das vor ein paar Wochen gedacht …

Ich möchte hier nochmal eine Lanze brechen für alle, die mit viel Sachverstand und Kompetenz Tiere in der Therapie von Menschen einsetzen. Es gehört viel Geschick, Empathie, Wohlwollen, Akzeptieren können, Ehrlichkeit gegenüber dem eigenen Tier und seinen Fähigkeiten, Knowhow in Bezug auf Hunde, ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse, Selbstkritik, der gute Umgang mit Misserfolgen, Teamfähigkeit, Zulassen, dass Alter, Krankheit und Tod zu uns gehören sowie die Liebe zu Menschen dazu, wenn man ein Tier für eine solche Arbeit einsetzen möchte. Das lernt man nicht mal so nebenbei. Es ist soviel mehr als „nur Hunde streicheln“! Wobei ich mich auch über jeden gut erzogenen, freundlichen Hund freue, der mit einem Angehörigen einen Bewohner im Pflegeheim besucht. Denn: Tiere können auch noch dorthin, wo wir Menschen nichts mehr erreichen – ganz tief in unser Inneres. Ich bin dankbar und ehrfürchtig für das, was ich mit meinen Hunden tun und erleben darf. Und sehr glücklich, dass immer wieder Hunde in mein Leben treten, die es anscheinend gut mit mir meinen. 

Mobilitätsassistenzhund am Rollstuhl

Von Sabine Müller

Seit meiner Kindheit begleiten mich Hunde und seit vielen Jahren leben immer mehrere gleichzeitig an meiner Seite. Ich unterstütze Sie dabei, Freude am Hund zu entwickeln, diese Freude zu behalten oder wiederzuentdecken. Dafür setze ich mich ein und freue mich auf Sie!

25. Januar 2021

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